Eines der merkwürdigsten Comebacks der letzten Jahre hat ja die Firma Jägermeister hingelegt. Wie es denen gelungen ist, aus einem miefigen Altherren-Eckkneipen-Gesöff ausgerechnet ein Partygetränk für Jungendliche zu machen, ist für mich eines der modernen Weltwunder. Hirsche für Bambis - da musste erst mal drauf kommen!
Gut, wir haben früher auf Partys Kräuter nicht getrunken, sondern geraucht. Und das letzte Mal, dass ich Jägermeister bewusst wahrgenommen habe, war Anfang der 90er Jahre, als irgendwelche Scheinprominente mit Krüppel-Argumenten noch nicht für eine Zeitung geworben haben, sondern für was Anständiges: Alkohol.
„Ich trinke Jägermeister, weil es dann nicht so schlimm ist, wenn ich was verschütte!“ Oder:
„Ich trinke Jägermeister, weil dann meine Kotze so schön nach Kräutern riecht!“
Seit dem fragen sich natürlich viele altgediente Beruhigungsmittel: Was hat er, was ich nicht habe? Und so möchte ich heute an einen ehedem gemütlichen Bewohner heimischer Hausbars erinnern, der hierzulande als beinahe ausgestorben gilt: den Eierlikör.
Denn ich bin seinerzeit noch mit Eierlikör alkoholisch sozialisiert worden. (Wenn man mal davon absieht, dass ich bereits als Kleinkind nach Feiern meiner Eltern am nächsten Morgen die Kladden ihrer Gäste ausgetrunken haben soll.) So kamen bei meinem ersten Mal zur Feier des Tages gleich drei gute Dinge zusammen: „Mainz bleibt Mainz“, die legendäre Tobler-Rum-Schokolade und Eierlikör mit Limo und Strohhalm. Die gute alte Zeit!
Heute hat Eierlikör ein Image, als würden einen die eigenen Großeltern zur gemeinsamen Unzucht auffordern und als würde man nur den Hühnern beim Abtreiben helfen. Als handelte es sich beim Eierlikör nicht um eine kulinarische Delikatesse (soweit eine holländische Erfindung dazu in der Lage ist), sondern um die gelbe Gefahr, den Auswurf eines Vogelgrippe-Opfers, Eiter zum Kochen oder gewählter ausgedrückt: Sauce Bernaise für Arme!
In einem Land, das selbst der FDP das Überleben sichert, dürfen gelbe Flaschen mit Inhalt nicht länger im Abseits stehen. Und so rufe ich euch voller zuversichtlicher Verzweiflung zu: Rettet dem Eierlikör!
Und singt mit mir das Loblied für eine bessere, beschwingte Welt: Mit Eierlikör fällt der Tag nur halb so schwer!
Der Mieso orientiert sich an klassischen Geldscheinen. Vorne ist meist eine unbekannte Persönlichkeit zu sehen. Nein, nicht Scheino oder Scheintje, sondern der Schirmchenherr des Mieso, unser allseits geliebter und hochverehrter könig peter der miese. Er wird umrahmt von einer Heerschar von Pleitegeiern, die uns dran erinnern: Wer Geld hat, hat auch viele falsche Freunde.
Oben links gibt es wie üblich die passende Flagge zum Schein. In diesem Fall eine Piratenflagge - weil die Piraten auch gerne mal auf einem Auge blind sind. Nee, weil die haben ihre Beute immer gerecht geteilt - und ihr Geld meist nur vergraben und nicht verbrannt. Außerdem unterstreicht die Piratenflagge den subversiven Charakter des Mieso und mahnt: Vorsicht, bei Geld hört der Spaß auf.
Daneben stehen bei unseriösen Währungen gerne mal launige Abkürzungen wie EZB (also Einer zahlt bestimmt), beim Mieso dagegen Lalelu usw. – das wirkt schließlich genauso beruhigend. Darunter haben wir dann noch die unleserliche Unterschrift eines Unbekannten. Auf die griechische Schreibweise des Wortes Mieso wurde allerdings bewusst verzichtet. Wer hat schon gerne „Betrug“ auf seinem Geldschein stehen?
Um immer ausreichend Geld zu haben, ist der Hunderter-Schein die kleinste Einheit des Mieso. Jetzt fragt sich bestimmt der eine oder andere von euch: „Aber da ist doch noch eine Null hinter der 100 zu sehen.“ Richtig! Das ist die sogenannte stille Reserve. Wenn man mal mehr Geld braucht, kann man die Null einfach ausmalen und bekommt so einen Tausender.
Aber: Das funktioniert nur einmal, deshalb sollte man sich es gut überlegen. Und wenn das jeder macht, dann gibt’s ‘ne Inflation – und das will ja keiner (es sei denn, er spekuliert drauf). Darum lautet ja auch die Parole von könig peter dem miesen: Tuet Geldbuße! Ansonsten gilt: Den Spekulant an die Wand!
Auch beim Mieso gibt es auf der Rückseite ein bedeutendes historisches Gebäude, nämlich „Das Haus vom Nikolaus“ - denn von dem darf man sich ja auch einmal im Jahr was wünschen. Symbolisch ist darin noch die wundersame Geldvermehrung abgedruckt: Vorn geht ein Mieso rein, hinten kommen eineinhalb Mieso wieder raus. Will sagen: Auch ein kleines Geschäft ist ein feines Geschäft. Und das Beste daran: Es geht auch im Sitzen!
Über allem wacht als oberster Währungshüter der Adler Horst. Daneben steht die obligatorische Dunkelziffer 08154711 – von wegen Geld stinkt nicht. Und unten findet sich schließlich noch die Bezugsquelle Ihres persönlichen Finanzoptimierers: www.der-miese-peter.de! Denn ab sofort steht der Mieso auf meiner Homepage zum Download bereit. Einfach ausdrucken, ausschneiden und für sein eigenes Wirtschaftswunder sorgen! Motto: Jubeln, aber nicht verjubeln!
Und da jubeln und verjubeln in letzter Zeit eng beieinander lagen, gibt es noch das passende Lied zum Schein: Alles nur geklaut!
Eine Krähe hackt der anderen angeblich kein Auge aus. Ausgerechnet bei Glaubensfragen machen wir da gerne eine Ausnahme. Und diskutieren mehr oder weniger ereifert, wer denn nun der bessere Gläubige sei: der Selbstmordattentäter oder der Hexenverbrenner – oder wer sonst noch eine fixe Idee zu bieten hat?
Jetzt haben wir ja schon einige Aufschreie der muslimischen Welt über gottlose Werke Ungläubiger vernommen: von Salman Rushdies Satanischen Versen (1988) über die dänischen Mohammed-Karikaturen (2005) bis hin zu dem jüngsten Filmchen eines ägyptischen Kopten (also einem typischen Vertreter des Westens).
Allerdings kommt die Diskussion, wessen Glauben denn nun „Recht“ hat, ähnlich absurd daher wie die Frage, welcher Schuh der bessere sei: der linke oder der rechte. Hauptsache er passt, möchte man meinen – und man kann ihn sich selbst anziehen.
Nun gehört der Aufschrei ja zu einer Demokratie bzw. einem einigermaßen geregelten sozialen Miteinander dazu – egal, ob man ihn als Ausdruck von Selbstbewusstsein oder eines Minderwertigkeitskomplexes sehen mag. Botschaften stürmen und verwüsten, Botschafter töten und Kopfgelder aussetzen jedenfalls nicht.
Und so kann der vorauseilende Gehorsam hiesiger Bedenkenträger, die sich Angesichts eines aufgebrachten Mobs die Grundwerte unserer Demokratie in die Hose machen, nur verwundern. Wer eilfertig Aufführungsverbote filmischer Machwerke, die Verschärfung von Gesetzen (u.a. gegen Blasphemie) und den Verzicht auf Veröffentlichung weiterer Mohamed-Karikaturen (in einer Satirezeitung!) fordert, der gehorcht (bewusst oder blöd) nur dem Diktat der Straße: Recht hat, wer am lautesten brüllen kann.
Natürlich ist es ein schmaler Grat zwischen der Meinungsfreiheit und der Schmähung Dritter (selbst wenn sie seit 2000 Jahren tot sind). Aber wir brauchen uns nicht von der islamischen Welt vorschreiben lassen, was wir hierzulande zu denken haben. Wie zum Beispiel, dass wir uns den Aufschrei der Muslime auch in Sachen Syrien gewünscht hätten. Aber es scheint wohl ein feiner Unterschied zu sein, ob Götter beleidigt oder tausende Glaubensbrüder und Mitmenschen nebenan getötet werden.
Entscheidend ist eben nicht, woran man glaubt, sondern was es aus einem macht. Und dafür ist nun mal jeder selbst verantwortlich.
Kaum im Amt riskiert unser neuer Umweltminister Altmeier gleich eine dicke Lippe: „Die Energiewende darf nicht zu Lasten DER WIRTSCHAFT gehen.“ Ist doch klar. Diese heroische Tat kann nur einer vollbringen: der Stromkunde! Also nicht jeder. Die energieintensivsten Betriebe, die über 50 % des Stroms verbrauchen, werden natürlich ausgespart. Und die rund 2000 Unternehmen, die sich dazu zählen. Schließlich befindet sich der Privathaushalt nicht im internationalen Wettbewerb, das muss ihm schon mal 4 Milliarden Euro wert sein. Und wer möchte nicht von sich behaupten können: Diese Stahlhütte wird Ihnen präsentiert von Luise Müller, Ihrer freundlichen Energiesponsorin!
Gut so. Denn wenn es DER WIRTSCHAFT gut geht, haben alle was davon – vor allem in DER WIRTSCHAFT. Leider geht es DER WIRTSCHAFT nie so gut, dass es DER WIRTSCHAFT nicht noch besser gehen könnte. So gehört es längst zum energetischen Wellness-Programm, sinkende Einkaufspreise an den Strombörsen nicht an die Verbraucher weiterzugeben, steigende hingegen schon. Macht doch nichts. Diese 3 Milliarden zu viel sind quasi gespart, da mit ihnen auch nicht die Netze ausgebaut werden.
Und bevor das Risiko die Rendite ruiniert, lohnt ein Blick auf die buckelige Verwandtschaft. So gelang es bereits in der Banken- sprich Bandenkrise, dank freundlicher Unterstützung des Gesetzgebers das Ergebnis unternehmerischen Tuns (laienhaft auch Schulden genannt) auf den Steuerzahler abzuwälzen. Kein Wunder, dass dieses Erfolgsmodell nun auch auf die Netzanbindung von Offshore-Windparks übertragen wird. Gibt es da Probleme in Form von Mehrkosten, zahlt der Verbraucher ab 2013 Schadenersatz!
Schadenersatz?? Ja, ist doch klar. Schließlich gehören ihm weder die Anlage noch das Netz, er hat das Problem nicht verschuldet, wird nicht an den Gewinnen beteiligt, hat also klar den Schaden, ergo Schadenersatz. Denn DIE WIRTSCHAFT folgt ihren eigenen Gesetzen. Von Logik war hier nie die Rede.
Das freut auch die Mineralölkonzerne, pardon MINERALÖLKONZERNE: Denn wird demnächst irgendwo eine Autobahn nicht fertig, steigen bundesweit die Spritpreise. Und wer kein Auto hat, zahlt der Automobilindustrie gefälligst Schadenersatz. Motto: Auch Du bist Porsche!
Energiewende heißt also nur, dass der Stromkunde bald jeden Cent mehrfach im Portmonee umdrehen muss, bevor er ihn nicht für was anderes ausgibt!
Vorurteile über Politiker sind blöd. Vor allem, wenn sie wahr sind. Das Bundestagswahlrecht ist verfassungswidrig. Das ist noch blöder. Denn das war es 2008 schon und ist es nach der schwarz-gelben Wahlrechtsreform immer noch. Dabei passte es doch so schön: Als Wähler verstehe ich weder die Leute, die ich wähle, noch das System, nach dem ich wähle.
Ausgleichslose Zuteilung von Überhangmandaten? Vergabe von Zusatzmandaten für Rundungseffekte? Negatives Stimmgewicht? Das alles passt doch auf keinen Bierdeckel. Dafür hat jemand (es muss ein Jemand gewesen sein!) den Satz „Die dicksten Bauern kriegen die dicksten Kartoffeln“ auf die Regierungsbank gekritzelt – mehr Demokratie braucht kein Mensch.
Schließlich sind Politiker auch nur Menschen wie Du und äh der Typ neben Dir. Ist es nicht auch ein Zeichen von Zuverlässigkeit, den gleichen Fehler zweimal zu machen? Denn je häufiger man mit derselben Lüge erwischt wird, desto mehr glaubt man ihr: „Nein Schatz, ich gehe nicht fremd, ich kenne sie seit Jahren! Außerdem haben wir ein Verhältnis-Wahlrecht.“
Jetzt sollte man ja meinen, in einer Bundesregierung arbeiten derart viele kompetente Minister (also deren Mitarbeiter, also deren Mitarbeiter, also irgendeinen wird’s schon geben!), dass es nicht so schwer sein sollte, wenigstens beim Nachsitzen den Satz „Mehr Demokratie wagen“ fehlerfrei abschreiben zu können. Leider hat die Regierung ‚Demokratie‘ schon vor Jahren abgewählt und dafür das Fach Religion (nein, eben nicht Ethik) belegt. Lernziel: Einen finden, der dran glaubt. Und beten, dass es gut geht. Wollten wir nicht die Sonderschule abschaffen?
Wenn das Bundesverfassungsgericht in den letzten elf Jahren ebenso viele Gesetzesversuche als verfassungsfeindlich eingestuft hat, wäre es da nicht effektiver, gleich die roten Jungs (also die mit der Robe!) wählen zu können? Oder sollen wir die UN für das kommende Jahr um Wahlbeobachter bitten? Denn was nützt es, seine Stimme korrekt abzugeben, wenn sie dann von rechenschwachen Legasthenikern nach deren Gusto zurechtgehobelt wird?
Wäre es nicht schön, einmal über unsere Bundesregierung den Satz sagen zu können: "Der Aufsichtsbeamte hat sich vom ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgeräts und der 49 Kugeln überzeugt." Stattdessen heißt es in Berlin seit Jahren: „Alle Angaben wie immer ohne Gewähr!“
Eigentlich hätte das jüngste Urteil des BGH einschlagen sollen, wie eine Bombe. Stattdessen verdünnisierte es sich wie ein Zäpfchen: Kassenärzte, die für die Verordnung von Arzneimitteln Geschenke von Pharma-Unternehmen annehmen, seien zwar korrupt, jedoch nach geltendem Recht nicht zu bestrafen. Recht so!
Schließlich ist unser Gesundheitssystem immer wieder – von der Öffentlichkeit oft unbemerkt! - zu erstaunlichen Leistungen, wenn nicht gar kleinen Wundern in der Lage: ein Drittel falsche Krankenhausrechnungen, Geräte amortisierende Untersuchungen, unnötige, aber lukrative OPs, mangelhafte Implantate, selbstbediente Arzneimittelpreise, erpresste Kooperationsverträge, Busreisen nach Lourdes, Rheumadecken, Geistheilungen via Internet. Und der Laie staunt: Hier sind Fachkräfte am Werk, Halbgott sei Dank. Denn auch in einem gesunden Volkskörper darf der Blinddarm nicht fehlen. Und wenn der hippokratische Meineid zuweilen den Äskulapstab mit dem goldenen Kalb verwechselt, glänzt unter dem weißen Kittel immer noch die weiße Weste. Geld ist nie krank!
Jetzt ist also wieder mal der Gesetzgeber gefragt. Leider ist der selbst bettlägerig und kommt nur selten vor die eigene Tür, um dort zu kehren. So warten das Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarats und die UN-Konvention gegen Korruption seit Jahren darauf, in Deutschland ratifiziert zu werden. Dafür müsste zuvor die Abgeordnetenbestechung im Inland schärfer gefasst werden – und wer will schon derart radikal gesunden?
Das Bahr jeder Vernunft geführte Gesundheitsministerium jedenfalls nicht. Schließlich erhält es selbst im Jahr rund 30 Millionen Euro an Leistungen von Dritten. Und die Parteien 44,5 Mio. € an Spenden und 36 Mio. € an Sponsoring. Und 111 Abgeordnete monatlich über 7000 € an Nebeneinkünften. Man sieht: Korruption, als eine Art Kompensationsgeschäft zwischen zwei Akteuren zu ihrem gegenseitigen Vorteil, ist hierzulande kein Thema.
Gut, einer ist immer der Arsch, der dafür bezahlen muss. Und nicht mit Vertrauen, wie die Pharmabranche treffend kommentierte: „Die heutige Entscheidung hat die unabhängige Stellung des niedergelassenen Arztes im Gesundheitssystem gestärkt und schützt so langfristig auch das Vertrauen der Patienten.“ Ja, Gesundheit ist, wenn man trotzdem lacht:
Kommt ein Mann zum Arzt.
Sagt der Arzt: „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht.“
Der Mann: „Die schlechte zuerst.“
„Sie haben nur noch eine Woche zu leben.“
„Und die gute?“
„Ich habe mir einen neuen Porsche gekauft!“
Bevor der EM-Ball wieder rollt (und vielleicht auch der ein oder andere Kopf in der Lupenrein-Demokratie Ukraine gleich mit dazu), gilt es noch einen Blick zurückzuwerfen in die Niederungen deutscher Fan- und Fußballkultur. Nein, die Rede ist nicht vom FC Bayern, dem diesjährigen Meister der Lebkuchen-Herzen. Sondern von dem anderen Skandalspiel, der Relegationspartie zwischen Berlin und Düsseldorf.
Nachdem sich der 1. WC Köln dankenswerter Weise dazu entschlossen hatte, dem geneigten Erstliga-Zuschauer nicht länger als Abführmittel zur Verfügung zu stehen, brachten die alte Dame Hertha und ihr kaum jüngerer Interims-Phrasendrescher Rehagel ihren Fußball-Rollator noch mal so richtig in Schwung. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: immerhin ein Mal nicht gegen den zuletzt etwas fußlahmen Aufsteiger Düsseldorf verloren! Respekt, König Otto der Erste von hinten.
Da war auch der Berliner Fußball(?)-Fan ganz Feuer und Flamme und fackelte nicht lange – jedenfalls nicht länger, als es braucht, bis ein Haufen Idioten seinen Vorrat an Pyrotechnik verballert hat. Was tut man nicht alles, um den Herthaner Leistungsempfängern das Gefühl von Heimat zu vermitteln? Schließlich ist man es in der Hauptstadt ja gewohnt, das Autos, Busse und Bahnanlagen brennen, da kann einen so ein Spiel doch nicht kalt lassen!
Nun hätte es viele Gründe für die Berliner Trikotträger gegeben, Angst um ihr Leben zu haben. Zum Beispiel beim Anblick der eigenen Spielweise einen Herzstillstand zu erleiden oder sich zumindest zu Tode zu schämen. Aber diese Angst ausgerechnet beim hautnahen Jubel der gegnerischen Fans zu verspüren, war schon ein Nahtod-Erlebnis der ganz besonderen Art.
Zugegeben: Das Ordnen scheint nicht gerade eine Stärke des Ruhgebiets zu sein (siehe Love-Parade). Und selbst Norbert Röttgen, unser kurzlebiges NRW-Bengalo, war zu einem geordneten Rückzug nicht in der Lage. Doch erst der Berliner Versuch, wenn schon nicht auf dem grünen Rasen, wenigstens am grünen Tisch erstklassige Leistungen zu bieten, machte die Posse vollends zum Schmierentheater.
Doch die Hauptstadt nimmt’s mit Humor, wie der neue HaHoHe-Fan-, also Schlachtgesang beweist: Hahaha, Hertha BSCa!
Ha, was die Natur kann, können die Unnatürlichen schon lange! Überall in NRW treiben dieser Tage sonst tumbe Masten bunte Bild-Blüten und wuchern üppige Plakatwände wie Unkraut auf freiem Feld. Und wie im heimischen Garten, bei dessen Schattengewächsen man sich manchmal fragt: „Was ist das und was soll das?“, gilt hierzulande ein unbekanntes Gesicht mit einem Doppelnamen drunter schon als Politik. Die Botschaft: Fressen zum Vergessen?
Geradezu als Orchidee unter den Butterblumen gilt es Werbemachern anscheinend, mit diesen Gesichtern dann auch noch unschuldige Kinder (süß!) zu erschrecken. So erklärt eine in die Hocke heruntergekommene Frau auf einem Spielplatz der Eitelkeiten offensichtlich allein zurückgebliebenen Kleinkindern ein Förmchen (Sozial- und Fachkompetenz!). |
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Gut, dass es da noch die Kraft des Wortes gibt und auch das plakative Argument endlich wieder durch den Magen geht. Natürlich waren anfangs die historisch-verspielten Vorschläge eines Nobel-Literaten wie: „Freude durch Kraft“ oder „Jedem die seine“ viel zu verkopft. Auch das geläufige „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“ eines Pfälzer Dorfpoeten wirkte irgendwie noch zu aufgebläht. Schließlich geht es in der Politik wie bei der Verdauung nur um eines: um die Wurst. Und so rülpst sich nun aller Orten das proletarische Credo einer darbenden Menge ins öffentliche Bewusstsein: „Currywurst ist SPD“.
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Denn wenn die Stimme des Volkes spricht, muss man sich über Mundgeruch nicht wundern!
Endlich, der politische Frühling ist da! Allerorten stoßen zarte Ideen-Pflänzchen aus der gesamtdeutschen Krume und rülpsen keck „Jetzt geht’s aber los“ in die laue Luft. Herrlich!
Als erstes brachten die heißen Tränen der Ruhrgebiets-Bürgermeister den Schnee von gestern zum Schmelzen: Der Solidarfond – also die westdeutsche Art, sich die Zuneigung des Ostens zu erkaufen – müsse weg. Das Begrüßungsgeld („Hunni statt Honni“) sei ja schön und gut. Aber eine kreditfinanzierte Transfergesellschaft sei schließlich kein Zuckerschlecker. In vielen Städten verhungerten selbst die Tauben, wie solle man sich da auch noch um die Blinden kümmern? Man wolle den Soli ja nicht abschaffen, sondern nur in die eigene Tasche umleiten.
Der Osten erwetteiferte sich, im Gegensatz zu den westdeutschen Pleitestädten gäbe es bei ihm „nach wie vor in weiten Teilen keine selbsttragende Wirtschaft“. Und auch blühende Landschaften gehörten gegossen. Das klamme Klima im Westen sei ein strukturelles Problem, ihres hingegen ein … äh … finanzielles. Außerdem seien längst noch nicht alle Ränder der Schlaglöcher vergoldet, damit man sie weiträumig umfahren könne. 350 Milliarden Euro könnten nicht irren!
Selbst der Papst kritisierte auf seinem Flug nach Kuba, die mangelhafte Versorgung der Bevölkerung werde verschlechtert, wenn „restriktive wirtschaftliche Maßnahmen die Bevölkerung in unfairer Weise belasten". Es sei heute offensichtlich, dass die marxistische Ideologie (also der Solidarpakt) „keine Antworten mehr auf die Fragen der Gegenwart gebe." Da helfe nur noch beten.
Leider ist Friedhofsgärtner Schäuble auf dem Ohr schon länger taub. Denn ausschließlich er entscheidet, wie viel von der Soli-Kohle überhaupt im Osten landet. Und nachdem er im letzten Jahr rund vier Milliarden auf den eigenen Misthaufen gekarrt hatte (ja, Aktenkoffer war gestern, heute ist Schubkarre), verspürte er wenig Lust, sich ans eigene Rad zu pinkeln. Pakt sei Pakt, auch wenn er mit dem Teufel geschlossen wurde.
Das konnte Marx-Double Wolfgang Thierse so natürlich nicht stehen lassen und forderte salomonellisch „eine Form der vorübergehenden, aber institutionalisierten Solidarität“, auch Ruhrsoli genannt. Dieser könne je nach Witterungslage dann um einen Opel-, Schlecker-, Syrien- oder FDP-Soli ergänzt werden. Positiver Nebeneffekt sei zudem das nächste Unwort des Jahres: insolivent!
Endlich wieder weißer Rauch über dem Kanzleramt: „Habemus Gauckam“ schallt es fröhlich - upps, falsches Märchen! Aber das mit dem Rauch stimmt. Denn soeben löste sich das rumpelnde Merkelstilzchen mit einem lauten Knall in heiße Luft auf! Kein Wunder, hatte sich doch die von goldenen Zeiten spinnende Müllerstochter Philippa R. ihren eigenen Reim auf des Königtums erstes Kind gemacht: „Ach, wie gut ist der Klamauk, wenn ich wähl‘ Joachim Gauck!“ Ja, liebe Kinder, so fröhlich kann Selbstmord sein!
Derweil wunderte sich das blöde Volk im stillen Kämmerlein, das ausgerechnet Bauer Seehofer den Stellvertreter auf Schloss Bellevue-Erden mimen musste. Erst hatten wir einen Präsidenten, der zurücktrat, weil er die Wahrheit sagte, dann einen, der zurücktrat, weil er es eben nicht tat. Klar, da wirkt einer, der derart überzeugend zwei verschiedene Meinungen gleichzeitig vertreten kann, schon als Integrationsfigur. Immerhin ist uns so wenigstens sein Aschermittwoch-Geblöke erspart geblieben.
Stattdessen Kanzlerindämmerung, Super-Gauck trotz Atomausstieg, nicht „Ihr Wille geschehe“, sondern der Frosch als König! Parole: Schlucken, nicht küssen. Zuviel für die lautstärkste Frau der Welt. Denn als Schwarze Witwe der Politik tut sich mit starken Männern, die nicht nach Belieben zu verspeisen sind, naturgemäß etwas schwer. Viel lieber hätte sie uns dafür die heilige Ursula präsidentiert, die so spielerisch Nichtssagen und Totlächeln miteinander kombinieren kann. Und längst den Unterschied zwischen Kuchen und Krümel gefressen hat!
Da aber eine märchenhafte Demokratie zwar ohne Links-Partei, nicht aber ohne böse Stiefmutter auskommt, zog Medusa Merkel bei der Vorstellung ihres Verwunsch-Kandidaten „bei aller persönlicher Verschiedenheit“ zur Strafe eine Flunsch. Recht so! Schließlich verhält sie sich zu Gauck wie die Fälschung zum Original, die Pastorentochter zum Pastor, die Parteisklavin zum Freiheitskämpfer, die Populistin zum Publizist, die Protestante zum Protestant und der Hosenanzug zum Herrengedeck.
Die Neuwahl des Bandenpräsidenten war nötig, um dem Amt seine Würde wiederzugeben. Schade, dass wir damit nicht schon bei dessen Wahl angefangen haben. Und wenn sie nicht verdorben sind…
Liebe Mietbürger! Ich bin vielleicht nicht der richtige Bundespräsident für ihr Land, aber ganz bestimmt der passende. Denn ist nicht jedem von uns schon einmal Büromaterial heimlich nach Hause gefolgt, hat sich unsere Privatpost geschickt zwischen Briefen der Firma versteckt oder drängten uns Lieferanten auch privat gewaltsam ihre Prozente auf? Das ist doch alles nicht so schlimm, schließlich haben wir es uns verdient, ganz normales Wulffen halt.
Als demokratische Egoisten wissen Sie natürlich: Wer immer nur fremde Interessen vertritt, dem können auch mal eigene dazwischen geraten. Schließlich sind wir bei der Arbeit zuhause, und ein schönes Zuhause ist auch Arbeit (meint meine Frau). Und viele unserer Geschäftspartner sind nur deshalb unsere guten Freunde, weil wir unabhängig von unserem Job so sauinteressante Typen sind. Wer will ihnen das verdenken?
In den Blättern zur Berufskunde habe ich mal gelesen: „Unternehmer schenken nicht, sie investieren“. Aber mal ehrlich: Das hätten die anderen doch gemerkt! Und wer von uns ist schon in der Lage, den feinen Unterschied zwischen einem unabhängigen Finanzoptimierer und einem Betrüger bestechend zu erklären? Meine Banker und Anwälte jedenfalls nicht. Dabei kennen die sich schon von Berufs wegen mit der Wahrheit aus – schließlich bezahle ich sie dafür. Und gerade die Bild-Zeitung sollte doch wissen, dass Nehmen genauso selig ist wie Geben, solange denn der Geber selig ist. Aber das habe ich so nicht gesagt – auch nicht am Telefon.
Irgendwer meint, ich hätte Fehler gemacht. Das tut mir leid. Auch, dass ich nicht weiß, welche. Dennoch bin ich bereit, meine Frisur zu ändern. Und meine Brille. Und ein Buch zu schreiben: „Frau tätowiert, Typ gebrandmarkt“, oder so. Irgendwer wird’s schon bezahlen. Aber das bleibt jetzt mal unter uns Pastetentöchtern.
Um zukünftige Bundespräsidenten vor ähnlichen Identitätskrisen zu bewahren, schlage ich zudem die Mainzelmännchen als neue moralische Instanz vor. Erstens haben auch die beste Kontakte zur Wirtschaft. Zweitens wissen sie nach einem Streich stets, dass sie etwas ausgefressen haben. Und drittens gefällt mir ihre Moral von der Geschicht‘: Mit dem Zweiten sieht man besser – weg.
Mit unbezahlbaren Grüßen
Ihr öffentlich-rechtliches Bundesrudiment